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Interview mit den Wissenschaftlichen Mitarbeitenden/Promovierenden Anne-Sophie Saffert und Jonas Wiederer

Im Sommer 2025 unternahmen die Promovierenden und Wissenschaftlichen Mitarbeitenden der Fakultät Bauingenieurwesen, Anne-Sophie Saffert und Jonas Wiederer, eine Forschungsreise nach Kanada. Ziel war es, ihre Arbeiten in den Bereichen Ergonomie (Saffert) und künstliche Intelligenz im Bauwesen (Wiederer) im internationalen Kontext weiterzuentwickeln und neue Impulse für die Forschung an der Schnittstelle zwischen Mensch und Bauwesen zu gewinnen.

Den Auftakt bildete der Besuch der Konferenz ISARC 2025 (International Symposium on Automation and Robotics in Construction) vom 28. bis 31. Juli in Montreal, im Zuge welcher die aktuelle gemeinsame Arbeit bezüglich Optimierungen von parametrischer Simulation von menschzentrierten Bauprozessen präsentiert und publiziert wurde. Im Anschluss daran verbrachten sie den August 2025 an der Toronto Metropolitan University (TMU). Im Human Factors Engineering (HFE) Lab unter der Leitung von Prof. Dr. Patrick Neumann stand ein einmonatiger Forschungsaufenthalt im Mittelpunkt, der die beiden Forschungsschwerpunkte vereinte und zahlreiche neue Erfahrungen ermöglichte.

Neben den fachlichen Erkenntnissen bot die Forschungsreise auch vielfältige kulturelle Eindrücke, die die Promovierenden in ihre weitere Arbeit integrieren können. Der Aufenthalt wurde seitens der OTH Regensburg von Prof. Dr.-Ing. Thomas Linner und Prof. Dr.-Ing. Mathias Obergrießer betreut.


Anne-Sophie Saffert und Jonas Wiederer, aus Regensburg

Welchen fachlichen Hintergrund haben Sie und welche Tätigkeiten/Forschungsbereiche bearbeiten Sie an der OTH?
Saffert: Ich habe meinen Bachelor in Biomedical Engineering und anschließend den Master Medizintechnik an der OTH Regensburg abgeschlossen. In meiner Forschung und Dissertation beschäftige ich mich damit, wie sich medizintechnisches/biomechanisches Wissen in komplexen Umgebungen wie Bauprozessen oder direkt auf der Baustelle einsetzen lässt. Konkret untersuche ich in meiner Promotion den Einsatz von Exoskeletten im Bauwesen. Mein Ziel ist es, Arbeitsabläufe effizienter, sicherer und gesünder zu gestalten. Darüber hinaus bin ich in den Baubetrieb und die Lehre involviert mit dem Fokus auf innovativen digitalen Technologien in der Baubranche. Parallel dazu bin ich in mehreren Forschungsprojekten aktiv, die sich mit digitaler Innovation in unterschiedlichen Arbeitsfeldern befassen. Im Projekt „ReduSys“ beschäftige ich mich mit der adaptiven Digitalisierung in der Pflege. Hier soll durch den Einsatz multimodaler Ansätze die Belastung für Pflegekräfte deutlich reduziert werden. Im Projekt „Walz 4.0“ integrieren wir digitale Technologien wie Assistenzsysteme oder Robotik in die Lehre des Handwerks, um dieses so zukunftsfähig machen zu können.
Wiederer: Ich habe sowohl meinen Bachelor als auch meinen Master an der OTH Regensburg absolviert, im Master mit dem Schwerpunkt Digitales Bauen. In meiner Promotion erforsche ich, wie sich KI-Technologien im Bauwesen einsetzen lassen, um Prozesse schneller und effizienter zu gestalten. Mein besonderer Fokus liegt auf der Brückenplanung, wo ich untersuche, wie KI den gesamten Entwurfs- und Planungsprozess verbessern kann. Derzeit arbeite ich im Forschungsprojekt „KIBIP“, das den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Brückenplanung untersucht. Ziel ist es, bereits in den frühen Entwurfsphasen Prozesse zu beschleunigen und gleichzeitig bessere Ergebnisse zu erzielen, auf denen weitere Planungen aufbauen können. Meine Arbeit gliedert sich in mehrere Schritte, am Ende soll daraus jedoch ein Tool entstehen, das sich intuitiv bedienen lässt und durch eine eigene KI einen echten Mehrwert für die
Planungspraxis bietet.

Wie entstand die Kooperation der Toronto Metropolitan University mit dem Building Lab und warum haben Sie sich für Kanada als Austauschort entschieden?
Die Kooperation mit der Toronto Metropolitan University ist im Rahmen des Austauschprojekts MAIA entstanden, in dem die OTH Regensburg und die TMU Partner sind. Über dieses Projekt kam der erste Kontakt zwischen Prof. Dr.-Ing. Thomas Linner von der OTH und Prof. Dr. Patrick Neumann von der TMU zustande. Durch einen Kurzbesuch unseres Kollegen Simon Höng in Kanada konnte die Forschungsbeziehung dorthin vertieft werden. Daraus entwickelte sich eine enge Zusammenarbeit, die in kurzer Zeit bereits zur gemeinsamen Publikation geführt hat – und schließlich auch den Austausch nach Kanada ermöglichte.

Was sind die Stärken und Besonderheiten der hostenden Institution in Kanada?
Sowohl an der TMU als auch an der OTH steht praxisnahes Arbeiten im Vordergrund. Die Studierenden erwerben nicht nur theoretisches Wissen, sondern wenden dieses direkt in Laboren und Industrieprojekten an. Dieser enge Bezug zur praktischen Anwendung wirkt sehr motivierend, da die Projekte eine spürbare Relevanz haben: Die Studierenden können unmittelbar miterleben, wie ihre Arbeit in der Praxis eingesetzt wird und welchen Nutzen sie stiftet.

Wie ergänzen sich die Toronto Metropolitan University und OTH Regensburg im Hinblick auf die Stärken in Forschung & Entwicklung?
In der gemeinsamen Publikation untersuchten wir, wie sich Künstliche Intelligenz einsetzen lässt, um Arbeitsprozesse in Simulationssoftware effizienter abzubilden und planerisch zu verbessern. Solche Abläufe werden normalerweise von Layout-Designern erstellt, was viel Zeit erfordert und unter knappen Ressourcen nicht immer optimale Ergebnisse liefert. Mit KI können diese Prozesse automatisiert und präziser berechnet werden. Professor Neumann brachte als Mitautor seine langjährige Expertise im Bereich Human Factors und Prozessoptimierung ein und lieferte so wertvolle Impulse und eine neue Perspektive auf menschzentrierte Prozesse. Auf dieser Grundlage entwickelte sich ein enger Austausch, der schnell  in eine konkrete Kooperation zwischen der OTH Regensburg und der TMU mündete.

Wie ist Ihr Aufenthalt finanziert?
Die Finanzierung unseres Aufenthalts erfolgt aus zwei Quellen. Zum einen unterstützt uns die OTH Regensburg über Zuschüsse, die über das Zentrum für Forschung und Transfer sowie die Fakultät Bauingenieurwesen bereitgestellt werden. Damit werden unter anderem Reisekosten und die Unterkunft abgedeckt. Darüber hinaus erhalten wir Mittel aus dem EU-Projekt MAIA, das den internationalen wissenschaftlichen Austausch fördert – insbesondere zu Themen wie dem demografischen  Wandel oder gesundheitsfördernden Arbeitsprozessen. Dieses Programm ermöglicht es uns, den Forschungsaufenthalt in Toronto zu realisieren. Zusätzlich bringen wir auch private Mittel ein, um individuelle Ausgaben zu decken. Insgesamt ist die
Finanzierung so gestaltet, dass wir unseren Aufenthalt gut absichern können.

Welche Erfahrung/Situation in Kanada hat Sie am meisten geprägt?
Besonders geprägt hat uns die kulturelle Vielfalt Kanadas. Toronto gilt als multikulturelles Mosaik und genau so haben wir es erlebt. In den verschiedenen Stadtvierteln und auch im direkten Austausch trifft man auf Menschen mit ganz  unterschiedlichen Hintergründen, was viele neue Eindrücke und Perspektiven eröffnet hat. Auch im Arbeitsumfeld haben wir diese Offenheit gespürt. Unsere Kolleginnen und Kollegen haben uns nicht nur bei Präsentationen, technischen Fragen oder organisatorischen Themen unterstützt, sondern uns auch regelmäßig zum Lunch mitgenommen. Dort konnten wir in entspannter Atmosphäre private und fachliche Gespräche führen und gleichzeitig verschiedene kulturelle Einflüsse kennenlernen. Dieses Miteinander hat unseren Aufenthalt sowohl professionell als auch persönlich enorm bereichert.

Was hat Sie im Bezug auf Ihre Forschung in Kanada weitergebracht?
Saffert: Der Forschungsaufenthalt in Kanada hat mich in vielerlei Hinsicht weitergebracht. Besonders prägend war mein Besuch bei Dr. Nicholas La Delfa an der Ontario Tech University, wo ich sein Biomechaniklabor kennenlernen konnte. Dort habe ich spannende Einblicke in aktuelle Forschungsansätze erhalten und neue Perspektiven für meine eigene Arbeit gewonnen.
Beide: Darüber hinaus konnten wir durch eigene Vorträge unseren Forschungsfokus weiter schärfen und gleichzeitig hilfreiche Rückmeldungen aus den entsprechenden Fachbereichen bekommen. Wir haben außerdem neue Softwarelösungen kennengelernt, die die Arbeit künftig unterstützen können. Ein weiterer Mehrwert waren die zahlreichen neuen Kontakte – unter anderem beim MAIA Day und durch den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen vor Ort. Nicht zuletzt war es eine wertvolle Erfahrung, Meetings und Diskussionen auf Englisch zu führen, was uns sehr dabei hilft, unsere Forschung international noch besser einzuordnen und zu kommunizieren.

Welche Tipps haben Sie für auslandsbegeisterte Studierende der OTH Regensburg?
Viele Professor*innen der OTH haben gute nationale und internationale Kontakte, die oft einen solchen Austausch ermöglichen. Daher tretet einfach in Kontakt mit diesen, dem International Office oder anderen Stellen, die entsprechende Forschungsbeziehungen pflegen.

Welches Souvenir würden Sie symbolisch für den Forschungsaustausch aus Kanada mitbringen?
Als symbolisches Souvenir würden wir die Skyline von Toronto wählen. Sie steht für den internationalen Austausch und die Vielfalt der Kulturen, die in der Stadt zusammenkommen und gemeinsam arbeiten. Besonders eindrücklich war für uns der Blick von den vorgelagerten Inseln, wo die Sonne hinter den Hochhäusern untergeht. Dieses Bild hat uns immer wieder Energie gegeben und passt für uns perfekt zu MAIA: unterschiedliche Perspektiven, die zusammen ein starkes Ganzes ergeben und neue Ideen ermöglichen.

Bildautor: Jonas Wiederer
Bildautor: Anne-Sophie Saffert
Bildautor: Anne-Sophie Saffert
Bildautor: Anne-Sophie Saffert
Bildautor: Lennart Kunze